Einführungsrede anlässlich der Ausstellung am 23.11.09 im Haus der Bauindustrie Nord in Bremen, gehalten von Prof.
Andreas Schulz
Das Ziel meiner Rede ist es dem Unscharfen eine Fürrede zu halten.
Alles was digital werden kann wird digital werden
Gemeint ist das Digitale der elektronischen Medien, die Umsetzung
des von Leibnitz entwickelten binären Systems.
Und in der Tat sind wir auf dem besten Weg dahin. Die Digitalisierung
der Welt nimmt ihren Lauf, weil sie so erfolgreich ist. Sie bringt uns
Bilder in hohen Bildauflösungen, siehe HDTV, Klänge in iTunes,
Simulationen der Welt in Wissenschaft und Spiel von nie da gewesener
Deutlichkeit. Digital ist präzise und kennt kein undeutlich. Offensichtlich
schätzt der Mensch diese Vorteile - bekommt er doch so was
sonst nicht geht. Unser Denken allerdings ist nicht digital, wir denken
nicht in binären Nullen und Einsen, sondern sind im Vergleich zum
Computer ungenau. Sagen wir einmal irren ist menschlich.
Der Reiz des Undeutlichen - Aber, warum ist das Undeutliche
oft viel reizvoller ist als das Deutliche? Was macht das Undeutliche,
Unklare, Unscharfe, Schemenhafte, Silhouettenhafte so spannend.
Warum zieht ein mit einer Maske oder Brille verdecktes Gesicht, so viel
mehr Aufmerksamkeit auf sich? Einfach weil verdeckt ist und noch
entdeckt werden muss.
und die Suche nach dem Deutlichen- Der Mensch ist mit
seiner Wahrnehmung immer auf der Suche zu erkennen. Das
Deutliche, das Klare liegt ist zwar das angestrebte Ziel der Suche aber
- das Undeutliche ist die Herausforderung. Wir sind neugierig,
vergleichen Bekanntes mit Unbekanntem und verfolgen immer das Ziel
das was wir wahrnehmen mit gespeicherter Erfahrung abzugleichen.
Wir greifen zurück auf bekannte Muster. Allerdings ist das auch
bedauerlich, sehen wir am Ende doch so nur das was wir kennen, was
wir erwarten, was wir sehen wollten. Und sind so nicht mehr offen für
neue Bilder.
Die Malerei, ja die Kunst von Thomas Ritter ist es, genau das richtige
Maß zu treffen, den Strich so zu setzen, dass nichts eindeutig wird,
sondern das lediglich Andeutungen gemacht werden die gedeutet
werden wollen. Die Raum schaffen für ganz eigene Phantasie und
Erinnerung.
Wie aber findet Thomas Ritter den Weg zu so kraftvollen Bildern? Wie
schafft er es etwas abzubilden und nicht abzubilden? Bilder zu malen
die sich fast vollständig von dem lösen, was man als gegenständlich
bezeichnen kann und den Betrachter auf die Entdeckungsreise seiner
Wahrnehmung zu schicken.
Er bedient sich eines Mediums, dass frei ist von Interpretation, frei von
Kognition und Vergleich ist, das lediglich Farbe, Licht und Schatten
abbildet? Es sind Fotos die Lichteindrücke wiedergeben, selbst oft
unscharf die Farbe, Licht und Schatten aus ihrem zeitlichen und
räumlichen Zusammenhang reißen.
Diese fotografischen Eindrücke bilden einen ersten Ausgangspunkt, sie
sind es mit denen ein intensiver Kampf beginnt. Wenn ich das Atelier
von Thomas Ritter im Kesselhaus in Lauenau besuche, diese
ehemalige Kraftstation einer bekannten Möbelfirma, dann spüre ich
dass hier weiterhin noch viele Energie im Raum ist.
Hier verbinden sich seine Energie, seine Individualität, die Musik,
manchmal auch Aggression oder Ruhe zu Bildern die all das in sich
tragen aber nicht zu Tage tragen.
Der Ausgangspunkt verschwindet hinter Pinselstrichen und
Farbaufträgen, fertige Bilder tauchen wieder ab, tauchen in anderer
Form erneut auf. Malen und Übermalen, zerstören und neu schaffen
sind Teil des Prozesses. So entstehen Kompositionen bei denen am
Ende Bilder stehen die nichts deutlich abbilden aber die erahnen
lassen, dass da mehr als nur ein Bild ist.
6 ich lade sie ein die neuen Bilder der Ausstellung hier im Haus
der Bauindustrie für sich zu deuten, kleine Details ausfindig zu machen
und zu entdecken was in den Bildern ist
- und freue mich, trotz meiner Begeisterung für das Digitale, dass diese
Kunst nicht digital werden wird.